von Olalla Castro
Ich erinnere mich an unsere erste Schildkröte. Die war die Schildkröte von einem Freund meines Bruders, der zwei davon hatte. Eine ist in die Toilette gefallen. Die andere wollte er dann nicht mehr behalten.
Panzer. Das erste Wort, das ich von dir gelernt habe: “Einen Panzer gibt’s im Krieg, aber auch eine Schildkröte hat einen Panzer”.
Dann kam unsere zweite Schildkröte, die unser Onkel uns schenkte. Als Kind dachte ich, dass sie so etwas Besonderes war, ein tropisches Tier einer geschützten Art. Natürlich war sie das nicht. Sie war groß wie eine offene Hand, braun und ocker, geometrische Muster auf dem Panzer. Sie wurde mit Katzenfutter gefüttert, das war meine Aufgabe. Mit einem Löffelchen gab ich ihr Nassfutter aus der Dose. Sie nahm ihre Zeit zum Schlucken. Sie hatte immer so einen verlorenen Blick. Auf Zeitungspapier auf dem Teppich verbrachten wir die kurze Zeit des Zusammenseins beim Füttern. Sie verließ eigentlich ihr Terrarium kaum außer für Wettrennen im Wohnzimmer. Der Hund hatte Angst vor ihr, das machte uns Kinder riesigen Spaß. Der Arme rannte immer schnell Richtung Küche, wo er Sicherheit unter der Bank fand. Heute verstehe ich seine Angst, da eine Schildkröte für ein Säugetier ein Außerirdischer zu sein scheint.
Als sie starb, fühlte ich mich unglaublich schuldig. Als hätte ich sie mit Absicht umgebracht, ein Tier, das eventuell viel länger hätte leben können.
Dieses Schuldgefühl blieb lange bei mir, ein 12-jähriges Mädchen, das den Tod einer Schildkröte auf ihren Schultern tragen musste.
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