Der Tag des Weinens. Eigentlich mehrere Tage, die zusammenfließen. In einen großen Schmerz. Nach dem Aufstehen Kaffee und Haferbrei zubereiten. Die Zutaten nachlässig in den Topf schmeißen. Ohne Früchte, ohne Geschmack. Reine Formalität. Du musst etwas essen. Keine Nachrichten, kein Radio. Ein Mensch ohne jegliches Interesse. Die Last ist so schwer, dass der dünne Körper darunter fast zusammenbricht. Der Löffel bohrt sich in den Frühstücksbrei, das Weinen bricht auf. Wie ein überfluteter Fluss, der mit großer Kraft zu dem Damm fließt, um ihn zu durchbrechen. Unzählige Sprachnachrichten an die Freunde und Familie, Suche nach dem Weg, der aus dem Schmerz führt. Jeden Morgen das Gleiche. Wie ein endloser Kreis.
Die Stimme des Nachbarn dringt durch das Fenster. Er sitzt auf der Terrasse der Bäckerei und schlürft seinen Kaffee. Es könnte die Chance sein, ihn zu erwischen und aus der Last ein wenig abzugeben. Ein gescheiterter Versuch. Wieder nur leere Worte als Trost.
Die 15 Minuten Zugfahrt in die Arbeit fühlen sich wie eine Stunde an. Jede Minute ohne Bewegung ist eine Qual. Beim Eingang der Arbeit sind Blumen und Zitrusbäume. Aber die Blumen haben keine Farben mehr und die Bäume haben sich dornige Äste anwachsen lassen. Die fröhlichen Frauen und Männer auf dem Gemälde im Treppenhaus verwandeln sich in gesichtslose Figuren, die bunten Motiven auf den Kleidern fließen in einen dunklen Fleck zusammen.
Am besten keine Konversation in der Arbeit. Die Interessenlosigkeit würde nur die Menschen verletzen. Eigentlich existieren die anderen gar nicht. Am Boden eines tiefen Loches ist man meistens alleine. Nur ein blasses Licht erscheint oben, aber es ist unmöglich, hochzuklettern. Die Glieder sind lahm, schaffen nicht mal einen Millimeter hinauf.
Feierabend verliert seine Bedeutung. Sachen packen, in die S-Bahn einsteigen, Maske aufsetzen. Die Gewohnheit steuert den Körper. In der Tasche liegen Lavendelöl Kapseln. Hilfe gegen innere Unruhe. Das verspricht die Packung. Der intensive Geschmack des Lavendels breitet sich in allen Winkeln des Mundes aus. Nur die Ruhe bleibt aus.
Die Wohnung ist abgekühlt. Niemand hat den Radiator eingeschaltet. Hier wird an Strom und Freude gespart. Das Handy läutet, der Körper zuckt zusammen. Falscher Alarm. Die besorgte Mutter will nur die Stimme ihrer Tochter hören. Das Nachthemd anziehen, den Tag so schnell wie möglich beenden. Der feine Staub überzieht langsam die leeren Regale des Kleiderschranks. „Eine Umsortierung würde helfen“, sagen sie. Keine Chance.
Der wütende Nachtgeist lässt keinen Schlaf zu. Nur eine kurze Bewusstlosigkeit. Wer bin ich? Wo bin ich? Alles fühlt sich falsch an. Hier war ich früher nicht allein. Das drückt, das lässt nicht los: Du bist seit zehn Tagen nicht mehr hier. Ein Schluck Wasser. Die viergeteilte Schlaftablette neben der Tasse. Endlich.
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