von Sophia Adams
Literaturwettbewerb „Leben erleben“ 2021 für Jugendliche
Damit hatte ich nicht gerechnet. Meine Freundinnen erzählten mir schon häufiger von diesem fürchterlichen Trennungsschmerz, der bereits Sekunden nach den Worten „ich mache mit dir Schluss“ eintritt. „Es fühlt sich so an, als würde eine wichtige Person einfach sterben, Vanja. So musst du dir das vorstellen“, erklärte mir meine beste Freundin Dana, als ihre letzte Beziehung vor einem Jahr zu Ende ging. Damals konnte ich ihre emotionale Zerrissenheit nicht nachvollziehen. Ich war erst sechzehn und hatte noch nie einen Freund gehabt. Mittlerweile weiß ich aber, wovon sie sprach. Eine solche innere Leere spürte ich noch nie zuvor.
Ich lag ungefähr dreizehn Stunden im Bett. So lange war es her, seitdem mir Niclas die schlimmste Nachricht meines Lebens geschrieben hatte. „Ich glaube, es wäre besser, wenn wir nicht mehr zusammen sind.“ Als ich ihn nach den Gründen für seine plötzliche Entscheidung fragte, reagierte er mit kryptischen Texten. „Ich habe nicht das Gefühl, dass du mit mir glücklich bist. Und wenn ich dich als Freund nicht glücklich machen kann, ist es besser, wenn wir es lassen…“ Und warum musste ich mir im Bett die Augen ausheulen, wenn du mich doch so unglücklich gemacht hast? Wäre ich dann nicht eher erleichtert gewesen, dass die Beziehung vorbei ist? Wie kam er auf so einen Blödsinn? Als ich ihn darum bat, sich noch einmal mit mir zu treffen, blockierte er meine Nummer. Unfassbar. Waren ihm unsere sechs gemeinsamen Monate gar nichts wert?
Die Antworten auf diese Fragen schienen sich in weiter Ferne vor mir zu verbergen. Ich holte mir deshalb den Rat meiner Eltern ein. Sie waren bestürzt, als sie von der Trennung erfahren haben. Ihre Worte konnten die Trauer aber nicht von mir nehmen. Anschließend kontaktierte ich meine besten Freundinnen Dana, Marie und Lena. Von den ersten beiden erhielt ich sofort eine Antwort. Im Grunde genommen schrieben sie fast das Gleiche. „Vanja, das tut mir so leid. Was für ein Arsch! Der hat dich gar nicht verdient.“ Die typischen Sätze eben, mit denen man eine gute Freundin nach einer Trennung erfolglos zu trösten versucht. Dana habe ich damals nichts anderes geschrieben – und vermutlich heiterten sie meine Worte ebenso wenig auf. Es ist schon verrückt. Wenn man geliebten Menschen von einem Beziehungsende berichtet, hofft man insgeheim darauf, dass sie irgendetwas sagen könnten, um einem den Schmerz zu nehmen. Scheinbar gab es diese schmerzlindernden Sätze aber nicht – zumindest hatte ich beinahe den Glauben daran verloren.
Lena war die Einzige, die ihr Glück noch versuchen konnte. Vielleicht würde sie etwas Bahnbrechendes sagen, dachte ich mir. Allerdings musste ich lange auf ihre Rückmeldung warten. Nach mehreren Stunden leuchtete der Bildschirm meines Smartphones schließlich auf. Ich fand einen unglaublich langen Text vor, in dem sie folgendes schrieb:
„Liebe Vanja, es tut mir so leid, von deiner Trennung zu hören. Aber, wie die weise Fergie einmal sagte: ‚Big Girls Don’t Cry‘. Als großes Mädchen musst du nicht weinen. Vor allen Dingen nicht um so einen Kerl. Der war sowieso immer viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und hat sich kaum um dich gekümmert. Deswegen rate ich dir: Sei wie Justin Bieber, der sich im Song ‚Love Yourself‘ mit den Worten ‚if you like the way you look so much, oh, baby, you should go and love yourself‘ von einer Exfreundin verabschiedet hat. Aber klar, ich kann verstehen, dass du aktuell noch nicht so denken kannst. Wahrscheinlich ist bei dir gerade die ‚Nothing Compares to You‘-Stimmung angesagt. Das ist ein alter Song aus den 90ern. Den kennst du sicher, wenn du ihn hörst. Jedenfalls kann ich dir aus eigener Erfahrung sagen, dass wir alle nur zeitweise von diesem Gefühl des Nicht-loslassen-Könnens gequält werden, das Adele in ‚Someone Like You‘ beschreibt. Du wirst die Trauer aber überwinden können und danach kommt erst einmal die Wut-Phase, in der du so drauf bist wie Kelis, die Ende der 90er die Worte ‚I hate you so much right now‘ furios ins Mikro gebrüllt hat. Versuch doch mal, dir diesen Song anzuhören, wenn du im Box-Training bist. Du bist doch noch beim Kickboxen, richtig? Eine bessere Gelegenheit um deinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, gibt es gar nicht. Aber bevor die Nachricht zu lange wird, komme ich zum Schluss: Ich habe dir eine Playlist mit fast fünfzig Liedern zusammengestellt, die von Trennungen handeln. Achte mal genau auf die Lyrics. Die Künstler erklären in so gut wie allen Songs, dass man die Trauer hinter sich lassen kann – und oft fühlt man sich viel besser, wenn man erkennt, wie gut es einem ohne den Expartner geht. Hör dir die Songs einmal an und sing deinen Frust anstatt ihn in dich hineinzufressen. Dir alles Gute, liebe Vanja. Ruf mich gerne an, wenn du jemanden zum Reden brauchst.“
Eine so simple Idee mit einem so großen Effekt. Mehrmals musste ich schmunzeln, als ich ihre Nachricht las. Wer hätte gedacht, dass man einer Freundin auf so kreative Weise helfen kann? Tatsächlich fühlte ich mich besser, nachdem ich mir ihre Playlist anhörte. Und in den folgenden Tagen klickte ich die Songs immer und immer wieder an – auch während des Boxtrainings. Und ja, meine Trauer verschwand allmählich. Später musste ich die Playlist mit fröhlicheren Songs ergänzen, denn meine Stimmung hatte sich gewandelt. Die Zeit hat meine Wunden geheilt.
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