von Ekaterina Orlova
Es ist endlich dunkel. Der Strom ist in der ganzen kleinen Stadt ausgefallen. Manchmal dauert ein Ausfall eine Stunde, manchmal länger. Es passiert ab und zu. Die Ursachen sind unterschiedlich, mal ist ein Unfall passiert, oder die Anlagen werden repariert. Während dieser langen, dunklen und kalten Winterabende spielen meine älter Schwester Natascha und ich mit unserem Vater Karten.
Vor dem Stromausfall löste ich Matheaufgaben. Natascha lernte Chemie. Wir Mädchen sind aufgeregt. Langsam und vorsichtig gehen wir aus unserem dunklen Zimmer in die Küche, wo der Vater neben dem Ofen sitzt und eine Zigarette raucht. Er hat den Ofen gerade angeheizt. Das Brennholz knistert beruhigend im Ofen. Da die Ofentür nicht geschlossen ist, spielt der Schein vom Feuer an der Wand. Bald wird es warm im Haus werden.
„Papa, Zeit für das Kartenspiel!“, sagen und Natascha und ich gleichzeitig.
„Ich muss noch raus. Wir brauchen mehr Brennholz. Ihr bereitet schon mal die Karten vor“, sagt der Vater, während er sich anzieht. Als er rausgeht, kommt eine weiße, frostige Wolke hinein.
Wir beeilen uns. Ein paar Kerzen stehen immer auf dem Tisch. Streichhölzer liegen auf dem Ofen. Wir zünden vorsichtig die Kerzen an und bringen alles in das Wohnzimmer. Unsere Schatten spielen an den Wänden.
Die Plätze auf dem Boden sind nun bereit fürs Spiel. Warme Decken liegen auf dem Teppich. Die Kerzen stehen daneben.
Die Spielkarten werden ausgeteilt.
„Nochmal austeilen“, fordert der Vater, als er zu uns kommt. „Ohne die Anwesenheit aller Spieler ist es verboten, die Karten auszuteilen. Und ihr wisst das doch!“.
Er ist immer so. Immer wenn er uns zur Schule weckt, sagt er: „Kompanie steht auf!“ und bleibt stehen bis wir wirklich aufstehen.
„Bitte Papa, unsere Karten sind so gut“, sagen wir zusammen traurig.
„Noch mal!“, wiederholt er streng.
Es bleibt uns nichts anders übrig, als die Karten noch einmal auszuteilen.
Der Vater spielt immer ehrlich, ganz ehrlich. Wir sind Kinder und natürlich wollen wir gewinnen, aber die Voraussetzungen sind für alle gleich. Sobald die Karte gelegt ist, bleibt sie liegen. Manchmal legen Natascha oder ich aus Unachtsamkeit eine falsche Karte. Wir verstehen, dass wir so verlieren werden und bitten den Vater um Erlaubnis, unsere Karte tauschen zu dürfen.
Trotzdem ist der Vater unerbittlich. Wir spielen immer weiter.
Es ist ein langes Spiel, das nicht nur einen dunklen Abend benötigt.
Wir haben viel Spaß. Die Zeit ohne Strom vergeht schnell. Die Lampen leuchten auf. Der Strom ist wieder da. Die Hausaufgaben erwarten uns.
Foto: Ekaterina Orlova