Ein erstes Mal

Ich bin die Frau, die Skifahren nicht mag.

Ich fühlte mich wie für eine Weltraummission angezogen.

Die Stiefel waren die unbequemsten Schuhe, die ich je benutzt hatte. Ich musste besondere Unterwäsche tragen, danach Skihosen, Skisocken, Skijacke, Skihandschuhe, Skihelm. Das ganze Ritual einer Sekte, zu der ich nicht gehören wollte.

Alle waren so glücklich mit dieser hässlichen Kleidung und ich wollte nur weinen. Ich sah wie eine Marshmallowpuppe aus.

Ich habe mich noch nie so fehl am Platze gefühlt. Ich konnte nicht in den Schnee, um mich normal zu bewegen. Wie werde ich mutmaßlich bergab Ski laufen? Mir war elend.

Ich versprach meinem Mann Skifahren zu lernen.  „Skifahren ist das Einzige, das deine Winter besser macht“. Ja, natürlich, wenn man ein fünfjähriges Kind ist und den Schnee jedes Jahr gesehen hat. 

Aber niemand erklärte mir, dass man eine „Schneefähigkeit“ braucht. Wie soll ich, eine Frau aus den Tropen und 40 Jahre alt, mich plötzlich wie eine Balletttänzerin auf dem Schnee bewegen?

Ich kann von Deutschen auch nicht verlangen, wie ein Delfin im Meer zu schwimmen, Papaya essen ohne das Gesicht zu verziehen, oder ein Gebäude in Costa Rica zu finden ohne perfekte Straßenamen wie: „ Ja, gehen Sie zu dem dritte Haus am Ende der Straße, mit der gelben Tür, einem Busch mit weißen Blumen und einem Hund, der immer bellt“.  Das ist gegen die Menschennatur.

Aber da war ich, um gegen meine eigene Natur Skifahren zu probieren.

Ich zog die Skier an und in diesem Moment fing der Alptraum wirklich an. Ich konnte nicht stehen. Ich verbrachte die meiste Zeit auf dem Boden, zwischen den Lachern von dreijährigen Kindern, die Ski fuhren auf den Pisten wie Profis. 

Ich fürchtete mich davor zu fallen, davor, die Kontrolle zu verlieren. Nochmal zu fallen und nochmal aufzustehen. Alle waren glücklich und mir war elend.

Ich ging vier Wochenenden zur Skischule. Jeden Freitag weinte ich wie ein kleines Mädchen, das nicht zum Zahnarzt will. Ich, eine Frau mit 40 Jahren, weinte wie ein kleines Mädchen, dass ihren eigenen Ängsten nicht begegnen möchte.

Ich habe das ganze Erlebnis überlebt. Am letzten Tag hatte ich einen Unfall und meine Schulter war verletzt. Heute, sechs Monate später, kann ich nicht auf meiner rechten Seite schlafen. Schon bemerke ich die schreckliche Erinnerung an diese sonnigen Tage in den schneebedeckten Bergen.

Diese Tage waren einige der schlimmsten meines Lebens. Ich fühlte mich wertlos für einen ganzen Monat, weil ich ein „deutsches Vorbild“ nicht erfüllen könnte.

Ich lernte nicht nur durchschnittlich Ski zu fahren. Ich habe gelernt,  „nein“ zu sagen.

Man kann nicht etwas Neues lernen, um anderen Leute zu gefallen. Man muss seine Tage verbringen mit Leuten und Sachen, die einen zum Lachen bringen, die das Herz  mit bunten Gefühlen füllen.

Vielleicht ist es nicht in meinem Schicksal, jedes Jahr ein Winterwunderland zu erleben.

Ich werde nie eine Frau sein, die schicke Skianzüge trägt, oder die eine Woche in den Alpen verbringt, die jeden Abend Skiwasser trinkt, mit trendigen Leuten beim Après-Ski.

Ich bin ganz anders. Ich bin die Frau, die in einem wilden Fluss schwimmen lernte und auf einem steinigen Weg Fahrrad fuhr. Eine Frau, die nicht Ski fährt und wandert, klettert oder das Mountainbike fährt. Ich genieße es nicht, in der Öffentlichkeit nackt zu sein. Ich werde nie das Isarufer wie einen Meeresstrand betrachten und Birkenstock wie normale Schuhe benutzen.

Ich lernte wirklich nicht nur zu Ski fahren. Ich lernte, welche Frau bin ich.  Ich werde nie wie eine Deutsche sein. Ich bin ganz anders.

Foto: www.pixabay.com

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