Wie es sich lebt als Finne in München

Das erste Mal, als ich im Zug durch Deutschland fuhr, war ich 18 Jahre alt und die Mauer noch da. Für mich gab es keine Grenzen, sowieso. Von Finnland durch Schweden und Dänemark nach Deutschland musste ich mich um keine Passkontrolle sorgen. Es wag genug, den Einband meines Passes zu zeigen. Sovietunion und Europa hinter dem Eisernen Vorhang waren da, aber im Hintergrund. Auf meine Reise hatten sie keinen Einfluss.

Das zweite Mal war ein paar Jahre nach der Wende. Meine Reise war wie früher. Immer fühlte ich mich wie zu Hause. Ich fühlte eine unerklärliche Vertrautheit und Nähe mit den Leuten auf dem Weg. Obwohl ich mit ihnen kaum sprechen konnte. Beim ersten Mal hatten wir keine gemeinsame Sprache. Ich freute mich auch sehr, dass die Züge pünktlich abfuhren. In Dänemark reisten sie immer nur ungefähr herum die Abfahrtzeit ab.

Ich wohnte in Bielefeld ein Semester lang als Austauschstudent. Die Uni ist wie eine riesengroße Fabrik. Und die Leute, sie waren nicht besonders freundlich. Sie waren wie Verwandte, die du nicht besonders magst, und die auch dich nicht besonders mögen. Ich war froh da zu sein, aber ich bin auch froh, dass ich nicht zurück gehen muss.

Auf meiner zweiten Zugfahrt kam ich auch nach München. Das war bequem während des Oktoberfestes. Ich kann mich nur an Schotten erinnern, die mich zuerst fragten, ob ich Engländer bin. Ich sagte natürlich nein, und erst danach luden sie mich an ihren Tisch ein.

Einmal am Flughafen München musste ich einige Stunden auf meinen Anschlussflug warten. Ich saß im Biergarten zwischen den Terminals und hatte ein Bier vor mir. Ein Mann kam zum Tisch, er wollte mit mir reden, auf Deutsch. Es ging gut, das Bier half bei Sprachkenntnissen. Wir aßen zusammen. Für mich war das Essen zu salzig, aber er streute sofort Salz darauf, ohne es vorher zu kosten.

Dann zog ich nach München um. Papier, Papier, Stempel und Stempel. Persönlicher Besuch in jedem Amt. Termin vereinbaren, telefonisch lieber, gelegentlich auch online. 

An das Finanzamt kann man eine E-Mail schicken. Doch muss man sie danach anrufen und überprüfen, dass sie die E-Mail ausgedruckt und das Papier dem richtigen Individuum weitergegeben haben.

In Finnland kann man alles online machen. Ohne eine einzige andere Person zu treffen.

Nach drei Jahren in München kann ich zusammenfassen, dass es zwischen Finnen und Deutschen viele Gemeinsamkeiten gibt, aber auch kleine Unterschiede. Pünktlichkeit ist eine Tugend für beide. Finnen wollen unbewusst die Regeln beachten, wohingegen Deutschen sie wenn möglich biegen.

In beiden Ländern lassen Leute die andere Leute in Ruhe. Außer auf der Straße. Dort finden viele Menschen in Deutschland, dass sie ein Recht und auch eine Verantwortung haben, andere Menschen zu beraten und zu korrigieren. 

Auch eine Freundschaft zu knüpfen mit einem Finnen oder einem Deutschen kann kompliziert sein und dauert lange. In Finnland wohnten wir über zehn Jahre neben unseren Nachbarn, und haben sie nie besucht. Doch uns grüßten sie jeden Tag. Genauso wie jetzt in München. Aber, wenn die Freundschaft endlich geknüpft wird, wird sie auch lange dauern.

In beiden Ländern wirken Leute oft aggressiv. Finnen sind häufig zurückhaltend und ausdruckslos, und erwecken deswegen den Anschein, passiv-aggressiv zu sein. Auf der anderen Seite, wenn Deutschen sich unterhalten, erwecken der Tonfall und der Gesichtsausdruck den Eindruck, dass sie böse und aggressiv sind.  Diese Verhaltensweisen kann ich ertragen, die sind mir bekannt. Es ist genau wie im November in Finnland.

Foto: pxhere.com

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