von Jasmin Lincke
Literaturwettbewerb „Leben erleben“ 2021 für Jugendliche
Es ist kalt. Frostige Nachtluft strömt von draußen herein, brennt in den Lungen und vermischt sich mit weißen Atemwolken. Den Rahmen des weit geöffneten Fensters zieren trübe Schleier und an den Rändern der Scheibe erstarrt Kondenswasser zu Diamant. Eisblumen erobern das Glas wie kalte Diebe. Die Nacht schmeckt kühl und unverbraucht.
Es ist still. So still, dass man glaubt, die Flocken fallen zu hören, die anmutig auf das verschneite Fensterbrett sinken. Tanzende Sterne aus Eis, funkeln mit den Gestirnen am Himmel um die Wette, wo abertausende Lichter Bilder in die Schwärze malen.
Verlassen ruht die weiße Landschaft. Während Nadelbäume sich unter den Schneemassen biegen, rieselt Glitzerstaub von ihren Zweigen und überlagert die Spuren des Vortages. In hohen Wipfeln schwanken gefrorene Zapfen. Leise klirrend, wie ein Windspiel, wecken sie die Erinnerung an ein längst vergessenes Gefühl. Ein Gefühl, fast schon aus einem vergangenen Leben.
Da zuckt ein Silberstreif über das Firmament und kündigt von einem Wunsch, der zur Erde fällt. Nur einen stolpernden Herzschlag verweilt der Schein in dieser Welt, doch was er bringt, ist von besonderer Magie.
Heiße Tränen tropfen in den Schnee und schmelzen das daruntergelegene Eis. Einen Wimpernschlag scheint die Zeit darauf stillzustehen. Sekunden vergessen zu vergehen und der Augenblick erstarrt zu einem Moment -eingefroren in einem kalten Traum der Ewigkeit.
Als der Wind auffrischt, wirbeln Schneeflocken herein, von denen sich einige in der warmen Atemwolke auflösen. Doch dem schneidenden Luftzug wohnt mehr inne als frostige Kälte. In gehauchten Worten liegt ein Zauber. Magie. Ein Gefühl.
Ein Gefühl, fast schon aus einem vergangenen Leben. Und geradezu unbemerkt findet die Hoffnung ihren Weg durch das Fenster und entzündet ihren wärmenden Funken in einem längst erfrorenen Herzen.
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