Dezente Opulenz

Sie würde nie Make-up auftragen. Sie sagte, dass für sie Schminken überflüssig sei.

— Ich habe eine natürliche Schönheit, eine Bemalung würde mich nur verschlechtern, sagte sie und kicherte, sodass ihr Gebiss schimmerte zwischen den Lippen. 

Ihre Frisur war immer tadellos. Sie hatte ihr Haar natürlich ergrauen lassen. Ihre Haltung zur Haarfarbe war wie zu allen anderen künstlichen Verschönerungen, die sie überhaupt nicht brauchte. Sie hatte recht, ihr steinblaues Haar glänzte silbrig, die Locken bewegten sich anmutig in der Luft. Mithilfe von Haarsprays, vermute ich.

Für jeden Tag hatte sie ein eigenes Kleid, je nach dem Zweck. Die Hose würde sie nur beim Beeren- und Pilzsammeln im Wald tragen. Nie in der Öffentlichkeit.

An Wochentagen war ihr Kleid aus einer Polyestermischung, langlebig und waschbar. Ich erinnere mich besonders gut an ein braunes Kleid mit schwarzen Punkten. Wenn ich in meinen Wollsocken vorbeiging, kriegte ich eine gewischt.

Am Abend zog sie sich ein Baumwollkleid an. Für jeden Abend ein eigenes Kleid. Die Farben waren heller und die Muster scherzhafter. Gut zum Fernsehen und auch um Kaffee mit Gästen zu trinken. Die Kleider waren gute Qualität, aber für sie kein Abendanzug.

Irgendjemand könnte behaupten, dass, wegen der erstklassigen Verarbeitung und dem Material, sie sie auch bei feierlichen Veranstaltungen anhaben sollte. Aber sie würde nicht zustimmen. Für Feste und dir Kirche hatte sie ein Kleid von bestmöglicher Beschaffenheit. Nicht Seide, das wäre Luxus, zu teuer, aber eine Mischung aus Kunstseide, Rayon, Baumwolle und Leinen. Feine Webart mit Silberfäden, die unter den Kronleuchtern der Kirche glitzerten, in Konkurrenz mit ihren Haaren.

— Die Armen können es sich nicht leisten, billig zu kaufen. Qualität muss sein. Man kann nicht jede fünf Minuten erneut etwas kaufen. Aber der hohe Preis ist nicht zu sehen. Das wäre ja vulgär, sagte sie und kicherte, sodass ihr Gebiss schimmerte zwischen den Lippen.

An das Kichern erinnere ich mich. Das Kichern meiner Oma.

Foto: William Olivieri on Unsplash 

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