Ich habe vergessen, wer uns die Reise nach „Ceylon Tea Trails“ vorgeschlagen hatte. Nach über sechs Stunden Autofahrt von Colombo aus erreichen wir den „Castlereagh Bungalow“, Höhe 1227 Meter, ein Haus im Kolonialstil. Das ist eins des fünf Häuser, die sich in den von Teesträuchern bedeckten Hügel verlieren. Mein Mann und ich lümmeln uns auf ein Sofa in der Lounge auf der Terrasse hin, matt, Gesicht blass und Beine taub. Meine zwei Töchter verschwinden im Garten.
Zwei jungen Angestellte laufen mit ihren Serviertabletts zu unserem Tisch. Obst, Kekse, Kuchen. Dazu erscheinen die Kinder plötzlich am Tisch, knabbern an einem Keks und laufen wieder weg.
„Was möchten Sie trinken, Tee oder Kaffee?“, fragt ein junger Diener.
„Natürlich Tee“, sagt mein Mann.
„Welche Sorte?“
„Bringen Sie uns, was Sie gern trinken!“
Nach ein paar Minuten kommt er mit einem Tablett zurück, auf dem eine Kanne und zwei Tassen aus weißem Porzellan stehen. Er gießt den Tee in unsere Tassen. Ich trinke in kleinen Schlucken. Beim ersten Schluck fließt Wärme in meinen Körper, beim zweiten Schluck jagt er die Müdigkeit aus meinem Körper, beim dritten Schluck dehnt er meinen Körper aus, und beim vierten Schluck fühle ich mich leicht. Der Tee schimmert wie goldener Honig. Sein Aroma entfaltet sich in meinem Mund, zitronig, würzig. Meine Haut atmet in seinem Duft und er treibt mir den Schweiß aus allen Poren. In mir weht eine Brise.
Meine Kinder laufen im Garten neben dem Pool. Jenseits des Pools ist ein See, in dem die grün leuchtenden Bergen sich spiegeln.
Einige Tage später treffen wir uns mit Andrew. Er wird uns auf einer Tour durch die Teefabrik führen. Er spricht über Tee, seinen Körper leicht dabei bewegend und seine Augen funkelnd. Sie müssen jeden Tag drei Tassen Tee trinken, das ist die beste Medizin. Wenn man Tee pflanzt und produziert, muss man ein guter Mensch sein. Warum sollte man in der Stadt wohnen, wenn man von der Natur und den stillen Teepflanzen umgeben werden kann?
Ursprünglich kommt Tee aus China. In Sri Lanka wurde Kaffee angebaut. Dennoch zerstörte ein Pilzbefall im Jahr 1869 große Teile der Kaffeeplantagen. 1867 pflanzte James Taylor Tee in Kandy. Das war der Anfang der Ceylon Tee Geschichte.
Wir besuchen die Dunkeld Teefabrik, die sich auf 1300 Meter Seehöhe befindet. In der Landschaft in grünen Schattierungen schlendern Frauen im Sari mit Kopftuch. Sie tragen große Bambuskörbe auf dem Rücken. Ihre Gesichter und Arme sind von der Sonne verbrannt, fast schwarzbraun. Sie haben geschickte Hände, um nur die oberste Blattknospen und die zwei darauffolgenden jüngsten Blätter eines Triebes zu pflücken. Jeder Korb wird gewogen und sie werden für das geerntete Gewicht bezahlt. Sie verdienen 400 Dollar bis 500 Dollar pro Monat, nicht schlecht im Vergleich zu dem durchschnittlichen Lohn in Sri Lanka (130 Dollar pro Monat im Jahr 2012). Außerdem wohnen sie auf der Plantage. Eine Frau lächelt uns an, ihre Armen verschränkt. Vor den gepackten Säcken mit Teeblättern schauen die anderen uns gleichgültig an. Meine zehnjährige Tochter nimmt einen Sack auf ihre Schulter und lädt ihn in den Wagen. Er muss leicht sein. Wie viele Teeblätter müssen die Frauen pflücken, um 500 Dollar zu verdienen?
Die Männer transportieren die gepflückten Teeblätter für die Weiterbearbeitung in die Fabrik. Dort werden sie in einem 1,82 Meter breiten Trog sechs Stunden lang durch heiße Luft getrocknet. Danach werden sie gerollt. Mithilfe von Rollwalzen werde die noch grünen Blätter aufgebrochen und der Zellsaft verbindet sich mit dem Sauerstoff in der Luft, wodurch der Tee die Farbe bekommt. Sobald das Rollen fertig ist, werden die Blätter in einem speziellen Raum auf den Boden für Fermentation ausgebreitet. Dadurch nimmt das Blatt seine kupferrote Färbung an und entfaltet erstmalig sein Aroma. Um das Aroma zu behalten, werden die Teeblätter mit heißer Luft bei 80 bis 90 Grad Celsius etwa 20 Minuten lang getrocknet. Grüner Tee wird hingegen nach dem Rollen direkt getrocknet, ohne Fermentation. Das habe ich nicht gewusst. Zum Schluss wird der fertige Tee mittels mechanischer Rüttelsiebe in handelsübliche Grade aufgeteilt, wie Dust, Orange Pekoe, BOP (Broken Orange Pekoe) und so weiter.
Der letzte Schritt ist die Teeprobe, ähnlich wie eine Weinprobe. Andrew schlürft einen Schluck Tee aus seiner Tasse, spült das Gebräu im Mund hin und her, schließt die Augen, dann schluckt er. „Ein bisschen bitter, erfrischend, zu männlich für meinen Geschmack“, verkündet er sein Urteil.
Im Hotel frage ich den Kellner, welchen Tee er uns gegeben hatte. „Orange Pekoe von Dilmah aus Bogawantalawa“. Woher kommt der Name? Andrew erklärt, das Wort „Orange“ hat mit dem niederländischen Königshaus Oranien-Nassau zu tun, weil die niederländische Ost-Indien-Gesellschaft der Königsfamilie diesen Tee geliefert hatte. Pekoe stammt vielleicht aus einem Dialekt Chinas und bedeutet ein langes, drahtiges Blatt oder eine weiße Blume. Niemand weiß es genau.
Am Abend ist die Hauptspeise gebratenes Huhn in Orange Pekoe Tee Soße. Das Fleisch schmilzt auf meiner Zunge und ein distinktes Prickeln des Tees bleibt in meinem Mund.
Heute trinke ich oft Orange Pekoe aus Ceylon, aber ohne Milch oder Zucker. In seiner reinen Form verwebt er seinen Weg, die Menschen, die Berge und Teesträucher in Bogawantalawa mit meinem Leben.
Foto: www.pixabay.com