Von Jeremy B.
“Oins Zwoi Drei G´Suffa” kommt nochmal die freundliche Stimme über den Lautsprecher. „Was meint er genau mit „Suffa“?“, denke ich. Keine Ahnung. Bevor ich Zeit habe, um diese Frage zu beantworten, muss ich sofort meine Maß-Kugel nochmal hochheben. Worauf stoßen wir dieses Mal an? Nochmal auf die Gemütlichkeit? Warum nicht? Ich liebe Gemütlichkeit. Aber ich weiß nicht ganz genau, was die Bayerischen meinen, wenn sie über Gemütlichkeit sprechen oder sogar singen. Ich glaube, es hat irgendetwas mit Berghütten oder Holzfeuern zu tun. Pass auf! Augenkontakt nicht vergessen! Ich erinnere mich gerade noch rechtzeitig daran, den Blick auf der anderen Seite des Tisches zu suchen. Aber die Herausforderung ist schon groß genug, auf der Bierbank zu balancieren und die Gläser zusammenzubringen…
„Warum jetzt? Warum heute? Hier sind einfach geile Leute“, singt der Frontman der Band. Ich umarme heute zum tausendsten Mal den Burschen, der neben mir tanzt, um die Frage zu stellen, „Bist du eigentlich `geile Leute´?“ „Was?“, fragt er. „Bist du geil?“, wiederhole ich, während ich mit einer Hand in Richtung der Band winke. „Na klar“. „Das war letztes Jahr eine große Nummer beim Apre-Ski antworte er. „Die Hits von der Wiesn werden die nächsten Apre -Ski-Hits und ein Jahr später werden die großen Apre-Ski Hits noch größer hier sein“, fährt er fort. „Fährst du Ski oder Snowboard?“, frage ich …
„Über den Wolken“. Der nächste Song unterbricht unser Gespräch sofort, als die 10.000 Gäste des Zeltes noch einmal auf die Bierbänke und Tische steigen müssen. Umarmungen, Anstoßen, Trinken und Karaoke wiederholen sich. Wegen meines fast leeren Biers muss ich mein Glas Richtung Decke drehen. „Wir sind allerdings UNTER den Wolken“, stelle ich fest. „Der Himmel Bayerns“ heißt ein Gemälde, das hoch an der Wand hängt. Das Bild zeigt eine Renaissance-Szene von Engeln, die um ein Bierlogo fliegen. „Seit wann gibt es diese Verwechslung zwischen Religion und Bier?“, wundere ich mich. Oi, „du bist dran“, ruft jemand vom anderen Ende des Tisches. Ich schaue in die Richtung der Anweisung. David, zeigt auf das leere Glas in seiner Hand. „Schon wieder?“, frage ich zweifelnd. „Ich habe schon die erste Runde bezahlt, oder?“. „Na klar, und jetzt ist es die fünfte Runde“, antworte er. Er zählt ganz schnell bis fünf mit einer Hand, um den Punkt zu machen, dass Fünf bestimmt eine ungerade Zahl ist. „So, los geht’s“, ruft er noch. Es dauert wenige Sekunden, bis ich eine Kellnerin im Meer von Dirndln und Lederhosen erkennen kann. Sie ist die Einzige, die immer noch geradestehen kann. Sobald ich ihre Aufmerksamkeit habe, zeige ich „noch zwei“ mit einem Finger und dem Daumen an. Sprechen ist jetzt weder möglich noch notwendig. Sie nickt zustimmend.
“Sweet Caroline bam bam baahm” Gerade als ich dachte, dass die Partie nicht wilder werden könnte, wird es aber doch wilder. Jetzt gibt es wirklich keine Füße mehr auf dem Boden oder den Stühlen. Für dieses Lied muss man auf dem höchsten verfügbaren Punkt tanzen. Egal wie, jeder steigt nach oben. Manche reiten sogar auf den Schultern von Freunden. Von allen Liedern der Welt, warum ist genau dieses so ein riesiger Oktoberfest-Hit geworden? Ich suche meinen Freund, der mich bereits bei dem besonderen Thema „Oktoberfest Musik“ beraten hat, um eine Antwort herauszufinden. Aber er tanzt schon zwei Tische weiter in Richtung Bühne. Ich lass ihm in Ruhe und tanze noch auf dem Tisch, ich kenne zwar die Worte gar nicht, aber bei „Sweet Caroline“ bin ich fleißig dabei.
Als das Lied verstummt und wir runter von dem Tisch klettern, wartet unsere ungeduldige Kellnerin auf uns. „Wie viel?“ Sie schüttelt ungläubig (Umstellung) den Kopf. Sie weiß, dass wir wissen, es gibt nur ein Getränk und einen Preis zu merken. Wir sollten es bis jetzt im Kopf haben. Ich suche und finde einen blauen und einen grauen Geldschein in der Hosentasche. Sie nimmt das Geld und dreht sich sofort um. Die Annahme, dass der Reste ihr Trinkgeld ist, schon akzeptiert „Oi“ moniere ich, „Ich brauch ein bisschen Kleingeld für die U-Bahn“. „Mach dir keine Sorgen“, beruhigt mich mein Kumpel, „Ich hole die sechste Runde“. „Aber die U-Bahn“, drücke ich nochmal meine Mobilitäts-Beunruhigung aus. „Ich habe eine Idee“, sagt er, aber bevor er ein Wort sagen kann…
“Oins Zwoi Drei G´Suffa”
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