CINE NOVEDADES

von Seila González

Ich war siebzehn und es war für mich der letzte Sommer in dieser Stadt. Nach dem Abitur hatte ich vor, in eine andere Stadt umzuziehen. Ich war auf der Suche nach einem Job, um Geld für meinen nächsten Lebensschritt zu sparen.

Ich komme aus einer kleinen Stadt in Nordspanien und als meine Eltern jung waren, gab es fünf Kinos hier; leider haben sie nach und nach geschlossen und nun eines blieb auf. Mein Papa kannte den Geschäftsführer und der war auf der Suche nach einer Bedienung.

Ich stand vor der Kinotür und nach einigen Minuten machte mir ein junger Mann auf. Ich hatte einen Termin zum Vorstellungsgespräch. Er sagte mir, er hole den Geschäftsführer. Ich war jung, aufgeregt und hatte noch keine Erfahrung, da es sich um meinen ersten Job handelte.

Der Geschäftsführer kam und begrüßte mich herzlich. Er war ungefähr 30 Jahre alt und sehr sympathisch. Er und mein Vater kannten sich seit Jahren, sie waren oft zusammen fischen. Wir gingen in sein Büro. Das Wort Büro ist zu groß für ein kleines, dunkles Zimmer voller über die Jahren gesammelten Rechnungen, Bilder und Karten, die sogar an die niedrige Decke und an die Wände geklebt worden waren. Das Zimmer hatte keine Heizung und kein Fester. Er erzählte, seine Familie betreibe dieses Kino seit 50 Jahren. In den letzten Zeiten gab es keinen Gewinn und man merkte es: Außer dem einzelnen Saal und dem Eingang sah das Kino alt und ungepflegt aus. Aber er fühlte sich mit dem Kino so fest verbunden, dass er nicht aufgeben konnte.

Er beschrieb die Arbeitsstelle: Vier Nachmittage in der Woche sollte ich arbeiten, es gäbe zwei Vorstellungen am Tag. Ich müsste die Kinobesucher bedienen: Getränke, Popcorn usw. verkaufen. Zwischen den Vorstellungen mithelfen, den Boden des Saales zu kehren. Die Zeit, während die Filme gespielt würden, hätte ich mehr oder weniger frei. Ich könnte mir die Filme anschauen oder lesen, lernen … Falls jemand aus dem Saal kommen würde, sollte ich erreichbar und in der Nähe sein. Das Gehalt wäre nicht großartig, aber ausreichend für mich. Alles klang gut. Ich sagte zu und kriegte auch gleich eine Zusage.

An meinem ersten Arbeitstag war ich sehr aufgeregt. Das Team wurde mir vorgestellt, wir waren insgesamt nur fünf Leute: Der junge Mann, der mir zum Vorstellungsgespräch die Tür aufmachte, arbeitete an der Kasse, und seine Mutter war die Putzfrau. Noch eine andere Frau, die an der Kinobar arbeitete, die Tage, an denen ich nicht in Dienst eingesetzt war. Und der Geschäftsführer, Íñigo, der für alles andere verantwortlich war, von Getränkebestellungen bis Filme spielen.

Die ersten Wochen war ich sehr aufmerksam und engagiert, ich wollte keine Fehler machen. Der junge Mann an der Kasse half mir, alles unter Kontrolle zu halten. Íñigo war auch immer für mich erreichbar und während die Filme gespielt wurden, erklärten sie mir noch den Rest. Nach zwei Wochen brauchte ich keine Unterstützung mehr.

Wir verbrachten viel Zeit miteinander, da ich noch nicht viel lernen musste. Wenn ein Film uns besonders gefiel, gingen wir alle drei in den Saal und lachten uns kaputt. In diesem Jahr haben wir zusammen gelacht und geweint, uns erschreckt und aufgeregt. Nach und nach kamen wir uns drei näher, und abends nach der letzten Vorstellung gingen wir zusammen aus dem Kino. Wir trafen uns auch an den Tagen, an denen wir nicht arbeiten sollten. Wir machten Ausflüge, gingen essen, zu Konzerten oder feiern. Eines Tages wurde der junge Mann an der Kasse mein Freund. Es war das beste letzte Jahr in meiner Stadt, das ich haben konnte.

Im nächsten Sommer zog ich wie geplant um. Mein Freund besuchte mich einmal im Monat und umgekehrt. Wenn ich in unserer Stadt war, ging ich ins Kino, da er immer noch dort arbeitete, und wir drei haben weiterhin was zusammen unternommen.

Nach und nach besuchte ich sie weniger, da ich studieren musste oder nicht wirklich Lust darauf hatte. Mein Freund hatte eine andere Arbeitsstelle gefunden und wir trafen Íñigo nicht mehr so oft. Nach meinem Studium machten mein Freund und ich Schluss miteinander, wir hatten uns auseinandergelebt und passten nicht mehr zusammen. Er war meine erste Liebe.

Ein Jahr später entschloss ich mich, nach Deutschland umzuziehen. Ich nahm Abschied von Freunden und Familie, auch von Íñigo. Er wünschte mir viel Glück und Erfolg und ich versprach ihm, ihn immer wieder zu besuchen.

Die ersten Jahre fuhr ich im Sommer und Weihnachten nach Spanien und hielt mein Versprechen. Die Gespräche mit Íñigo wurden allerdings kurz und oberflächlich. Die Zeit verging und wir hatten nicht mehr viele Gemeinsamkeiten. Wir erinnerten uns nur noch an die Vergangenheit.

In den folgenden Jahren besuchte ich Íñigo nur noch an Weihnachten. Da erzählten wir uns, wie das Jahr gewesen war. Mein Papa hielt uns während des Jahres auf dem Laufenden übereinander.

An einem Weihnachtsfest war das Kino geschlossen, und wir konnten uns nicht treffen. Im Jahr danach war ich nur kurz dort und hatte keine Zeit, ihn zu besuchen. Mein Papa richtete uns immer gegenseitig Grüße aus.

Anfang dieses Jahres erzählte er, dass Íñigo an Krebs erkrankt sei. Die Ärzte seien pessimistisch. Ich wollte sechs Wochen später nach Spanien fliegen und dieses Mal unbedingt Íñigo besuchen.

Kaum drei Wochen später rief mein Papa an: Íñigo sei gestorben. Kein Wiedersehen ist mehr möglich.

Ich war traurig und wütend auf mich selbst: Ich hatte die letzten Jahre keine Zeit gefunden, um ihn zu besuchen. Íñigo war mein erster Arbeitgeber, aber nicht nur das: Dank ihm habe ich meine erste Liebe kennengelernt, mein erstes Gehalt erhalten, ich wurde selbständiger und erwachsener. Mit ihm stirbt auch ein Teil meiner Jugendzeit, von der ich mich nicht verabschieden wollte.

Als ich wieder in meine Stadt kam, ging ich zum Kino. Es war vorübergehend geschlossen. Kein Plakat kündigte die nächsten Filme an. Kein Licht an der Bar. Kein lächelnder Íñigo hinter der Tür. Nur ein paar Blumensträuße lagen auf dem Boden.

Ich weinte vor der Tür und verabschiedete mich von dem Mädchen, das einmal diese Tür durchgegangen war. Ich verabschiedete mich von meiner ersten Liebe, die ich seit Jahren nicht mehr getroffen hatte. Ich verabschiedete mich von dem Saal, in dem ich so viele gute Stunden verbracht hatte. Ich verabschiedete mich von meiner Jugend. Ich verabschiedete mich von Íñigo.

Foto: www.pixabay.com

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