Noch ein bisschen

von Kyriaki Kika

„Bitte Mama, bitte, lass mich noch ein bisschen spielen. Alle meine Freundinnen dürfen bleiben, nur ich nicht.“

Das war natürlich gelogen. Ich sagte es immer, um mehr Spielzeit zu gewinnen. Es klappte nicht. Sie erwischte mich wieder. Ich kapierte nie, wie eine Mutter alles wissen konnte. Und nun hatte sie diesen abfälligen Blick, als ob ich die größte Betrügerin der Welt wäre. Vermutlich wollte sie keine Szene auf den Spielplatz machen und sagte nichts. Aber kein Wort war nötig. Der Blick drückte alles aus. Ich schämte mich, die roten Wangen und die nassen Augen verrieten meine Gefühle. Paradox sahen gerade meine Freundinnen genau wie ich aus, als hätte man uns mit rotem Rouge geschminkt. Die mussten auch schon längst zu Hause sein. Es gab ein betretenes Schweigen für ein paar Sekunden, wir standen einfach still. Plötzlich war der Blick meiner Mutter sehr zärtlich.

Trotzdem rief sie: „Ab nach Hause, es ist zu spät“, und alle machten, was sie verlangte. Auf dem Weg nach Hause dachte ich, was für ein Spielverderber sie war.

***

Ich versuchte mich tadellos zu benehmen. Aber es fiel mir nicht leicht. Ich war müde und ich wollte nicht aufstehen.

„Bitte Mama, ich bin müde, lass mich bitte noch schlafen.“

Das war kein gutes Argument. Zum Glück antwortete sie nicht. Anscheinend ging sie ins Badezimmer. Hörte sie wohl, was ich gerade sagte, oder sollte ich meine Ausrede wechseln? Magenbeschwerden wären glaubwürdiger. Ich wünschte mir, den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Ich hatte keine Lust auf die Schule, außerdem war es regnerisch und kalt, keine gute Kombination. Ohhh nein, sie kommt, ich muss nachdenken, was für Symptome ich habe.

Als sie fragte, was los war, erzählte ich, dass mein Bäuchlein wehtat und eine kleine Lügengeschichte dazu. Dann schlug sie vor:

„Heute bleibst du zu Hause. Ich werde Suppe kochen, aber wenn du morgen nicht wieder fit bist, besuchen wir den Kinderarzt.“

Nicht den Kinderarzt, ich hatte Angst vor ihm. Meine Wünsche wären Schlaf und Faulheit, kein Arztbesuch. Ich muss mit der Lüge sofort aufhören. Die Zeit für Spielen, Schlafen oder Fernsehen scheint nie zu reichen. Trotzdem ist es keinen Arztbesuch wert, dachte ich und versprach heimlich, nicht mehr zu lügen. Als meine Mutter mit dem Tee kam, war ich fertig mit meinem Schwur.

***

„Bitte Mama, lass mich noch ein bisschen Fernsehen sehen, bitteeeeee“, sagte ich etwas dramatischer als normalerweise.

Eher mehr wie eine schlimme Schauspielerin in einer Tragödie. Meine Mutter lachte über meine übertriebene Reaktion. Dieses Mal erzählte ich keine Lüge. Ich war sehr froh und stolz. Aber ich hatte sowieso keine Wahl. Was konnte man dazu sagen? Nichts. Das Gute daran war, dass ich mich die letzten Wochen sehr brav verhalten hatte, was meine Mutter erkannt hatte und als Belohnung hatte ich ab und zu mehr Zeit zum Spielen oder Schlafen bekommen. Fernsehen nicht.

„Bitte noch ein bisschen …“

Ich brachte nicht den Satz zu Ende, mir wurde sofort klar, dass ich gleich Ärger kriegte. Der abfällige Blick ist wieder da! Rasch verschwand ich in mein Zimmer. Sie folgte mir und erklärte mit einer ruhigen, warmen Stimme:

„Egal wie viel Zeit man hat, man will immer mehr, besonders für Sachen, die Spaß machen. Womöglich kannst du das nicht verstehen, aber glaub mir, es ist so.“

***

Erschöpft lege ich mich ins Bett und ich denke an das Zitat meiner Mutter: Egal wie viel Zeit man hat, man will immer mehr. Wie Recht sie hatte. Vierundzwanzig Stunden fühlen sich so wenig an. Das Motto meiner Kindheit noch ein bisschen verändert sich mit großer Geschwindigkeit. An diesem Punkt lautet es mehr Stunden, damit ich alle meine Aufgabe und Pflichten erfüllen oder genug schlafen kann. Wird es eines Tages besser? Ich bezweifele es. Ich darf nicht die Hoffnung aufgeben, oder doch?

Foto: www.pixabay.com

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