Goldene Zeiten

Die Sonne weckt mich auf. Der Rollladen ist noch unten, aber die Löchlein lassen das scharfe Licht durch. Ich gähne und stehe auf. Der Schlaf war nicht lang, aber tief. Es ist noch nicht 7 Uhr. Ich kann zwar mit meinem Tag anfangen, muss aber nicht. Morgenmantel an und Toilettenbesuch. Hände waschen und sie gut eincremen. 

Die Kaffeemaschine habe ich schon gestern gefüllt. Im Kühlschrank steht ein Stückchen Quarkkuchen und wartet auf mich. Ich denke nur daran und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Den Kuchen kaufte ich fünf vor acht Uhr am Abend, der letzte Kuchen im Laden. Günstig und auch spannend.

Im Laden waren auch andere Leute auf dem Dorf. Einige von ihnen wollten denselben Kuchen kaufen, habe ich deutlich gemerkt. Diesen Blick kann man nicht missverstehen. Weil sie noch Gemüse und Obst aussuchten, lief ich zur Backabteilung und war zuerst da. Ich legte den Kuchen schnell, aber graziös in meinen Einkaufswagen. Die anderen waren nicht fröhlich. Ich hätte sie einladen können haben, aber der Kuchen lässt sich nicht teilen.

Noch nicht völlig frisch, latsche ich in die Küche und schalte den Kaffee ein. Ich muss eine Weile warten, so setze ich mich an den Tisch und lasse die Handcreme in Ruhe einwirken. Würde gerne auch die Zeitung lesen, aber das Testabo kommt nicht mehr. Es ist schon lange beendet. Es waren schöne zwei Wochen. Sie sagten, dass ich nach sechs Monaten wieder ein Testabo bestellen könnte. Die Leute bei der Zeitung sind so nett.

Ich stehe auf und nehme den Wasserbecher und den Quarkkuchen aus dem Kühlschrank. Ich setze mich zurück, schlürfe Wasser und warte auf die Kaffeemaschine. Heute dauert es nicht lange. Zwei Tassen Kaffee und die Kaffeetüte ist leer. Ich habe völlig vergessen, gestern mehr Kaffee zu kaufen. Oder, eigentlich war es so, dass ich nur den Kuchen kaufen konnte. Das Geld kommt erst in vier Tagen. Ich verstehe nicht, wieso das Geld immer alle ist. Ich lebe sehr günstig, fast kein Luxus. Aber, na ja, vielleicht sind die Schulden schuld. Ich wollte eigentlich nicht mehr darüber sprechen. 

Keine Sorgen, sowieso. Konserven halten einen Mann auf dem Weg, wie meine Mama immer sagte. Und auch andere Arten und Sorten von Menschen, denke ich gerne. Pasta habe ich immer im Schrank und verschiedene Tomatensoßen im Einmachglas. Und Speisen in der Dose. Günstig, lecker und schnell. Oder, vielleicht nicht immer so lecker. Hühnersuppe aus der Dose, Linsen-Topf aus der Dose und Hochzeitssuppe aus der Dose. Lieber das, als hungrig bleiben. Tomatensoßen dagegen schmecken immer gut. Weiß aber nicht warum. Vielleicht ist es das Einmachglas. Übrigens, im nächsten Monate muss ich mich daran erinnern, auch Parmesankäse zu kaufen.

Der Kaffee ist fertig. Ich habe einen riesigen Becher, der leicht zwei Portionen und zusätzlich Milch halten kann. Und den Quarkkuchen. Der erste Bissen ist am leckersten. Die knusprige Schale und gleich danach der weiche Quark mit zartem Zitronenaroma. Wie könnte man damit nicht zufrieden sein! Der Geschmack füllt meinen Mund. Diesen Moment bin ich erfüllt. Ich kann sein, wer ich bin. Ich bin, wer ich bin. Obwohl nicht alle Dorfleute damit einverstanden sind, ist dies die beste Zeit meines Lebens.

Foto: Unsplash.com

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