Das Mädchen, das im Zug gegenüber mir sitzt. Ihre dunklen Augen, die braunen Augenbrauen, die über ihrer Nase zusammenlaufen, ihre lustigen Zöpfe. Sie schaut mich an, ist aber zu schüchtern, um zu lächeln. Sie merkt das blühende Kirschbaum Motiv auf meiner Handyhülle. Sie beobachtet es lange, und ich beobachte, wie ihre Gedanken zu fliegen beginnen. Wie sie sich ausmalt, dass sie auf den Kirschbaum klettert und die rosa Blüten riecht und stundenlang da sitzen bleibt. Alleine, weg von dem Lärm der Welt. Sie ist die erste klare Botschaft, die ich heute von Gott bekomme: Ich muss unbedingt eine Tochter haben.
Das Gesicht meines Freundes, während er schreibt. Er sitzt neben der Tischlampe, trägt die schwarze Brille und beißt die Spitze des Kugelschreibers jedes Mal zart an, wenn er nachdenkt. Beißt, schreibt, beißt, schreibt. Manchmal macht er nichts und schaut nur die weiße Wand an. Wenn er schreibt, sieht er irgendwie noch schöner aus als sonst. Seine Augen sind strahlender, seine Lippen sind voller. Wie ein Gemälde des modernen Zeitalters.
Der Hefezopf. Ich mache immer drei Hefezöpfe. Einen mit Preiselbeeren, einen mit Mandeln und einen lasse ich ungefüllt. Ich drücke meinen Kopf gegen das Backofenfenster und betrachte wie die weichen, duftigen Zöpfe wachsen und sich goldbraun verwandeln. Ich esse sie sofort, damit ich sehen kann, wie die Butter auf dem warmen Teig verschmilzt.
Papaya Beach. Ich gehe mit einem Cocktail in der Hand an den Tisch zurück. Der Cocktail muss unbedingt bunt sein: orange, rot oder pink. Das passt am besten zu dem Namen der Bar: Papaya Beach. Die Ananas bewegt sich am Rande meines Glases, während ich barfuß im Sand laufe. Die Sandkörner gleiten zwischen meine Zehen. Meine Füße sinken bei jedem Tritt tief in den weichen, lauwarmen Sand. Der Strohhut wippt links und rechts auf meinem Kopf, die Sonnenbrille rutscht leicht herunter. Es ist Sonnenuntergang. Am Horizont zeichnen sich ähnliche Farben wie in meinem Cocktailglas. Orange, rot und pink. Vom Hintergrund hört man Gitarrenspiel. Die Akkorde folgen dem gleichen Rhythmus wie die Wellen der See. Mein Freund flüstert mir zu: „Weißt du wer spielt? Er ist Bono von U2. Sein Haus ist nebenan.“ Verdammt, denke ich, ich bin in diesem Moment an dem besten Ort der Welt.
Die schwankenden Schiffe in Porto. Manchmal versteht man, dass das Dasein das einzige, sinnvolle Ziel des Lebens ist. Ich habe es schon öfters verstanden. Einmal da, auf der Terrasse einer Portoer Kellerei. Während ich ein Glas aromatischen Wein trank und die schwimmenden Schiffe sah.
Ein dreifacher Salto in Porto Cesareo. Jeder wird stumm. Nicht mal eine Mücke stört die Vorstellung. Die warme Luft setzt sich in dem Zirkuszelt an und zeichnet Schweißtropfen auf das Gesicht der Zuschauer. Die Artistin steht stolz oben im Scheinwerferlicht und schaut dem Artisten entgegen. Als ob ein heimliches Bündnis zwischen ihnen wäre. Sie greift die Luftschaukel und fliegt los. Sie fliegt vor und zurück, vor und zurück. Es ist ihre letzte Chance, den dreifachen Salto zu schaffen und die gleiche Ehre wie ihr Bruder zu bekommen. Sie bleibt konzentriert, obwohl sie schon an zwei Versuchen gescheitert ist. Diese Vorstellung ist mehr als ein kleines Vergnügen für die Zuschauer. Dieser Salto bestimmt ihren Platz in dem Rang der Familie. Der Trommelschlag ist immer lauter, die Spannung ist immer größer. Sie fliegt mit der Schaukel schneller und schneller. Der Artist ihr gegenüber hängt mit dem Kopf nach unten, dehnt seine Arme aus und lässt sie nicht für eine Sekunde aus den Augen. Dann plötzlich gibt er ihr das Zeichen. Ein lauter Ton wie ein Stichwort, das wir kaum verstehen. Sie lässt die Schaukel los und fängt an, sich in der Luft zu drehen. Einmal. Zweimal. Und dreimal. Sie reicht ihm ihre Arme und die starken Hände ergreifen die zierlichen Arme. Er hat sie. Er hat sie aufgefangen. Das warme Zirkuszelt füllt sich mit Klatschen und Jubel, Musik und Tanzen. Sie hat es geschafft. Sie hat es geschafft.
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