Mein Drachenbaum

Es war nur ein fünf cm langer Holzblock, als ich sie kaufte. Zu Hause pflanzte ich sie in die Blumenerde und nach nur kurzer Zeit schoben sich die ersten winzigen grünen Blätter heraus. Es war mein letztes Jahr im Gymnasium, und dann fing der Block ein neues Leben an, genauso wie ich. Heute sind schon 30 Jahren vergangen.

Nach meinem Militärdienst begann ich mein Universitätsstudium ein, und die Pflanze zog mit mir in die Universitätsstadt um. Über mein Militärjahr hindurch war sie ganz viel gewachsen, aber war doch klein genug um sich in das Auto einzufügen. 

Durch die Jahre an der Uni veränderte die Pflanze sich und wurde ein echter Baum, ein Drachenbaum. Schnell war er fast zwei Meter hoch und nahm ruhig seine Quadratmeter in meinem Zimmer ein. Als ich immer wieder umzog, fuhr der Baum zuerst in meinem Auto, das Fenster nach vorne geöffnet und die Blätter frei im Wind schüttelnd. Er mag es offensichtlich nicht, eine Weile nach dem Umzug war er noch ein bisschen welk. Er wollte die Umgebung nicht wechseln.

Während der folgenden Umzüge konnte der Baum sein Laub auf dem Anhänger lüften oder in einem Lastwagen reisen. Und immer wieder, nach einem kleinen Schmollen, sind wieder neue Blätter gewachsen.

Der Umzug nach Deutschland war andersartig. Der Baum war gut über zwei Meter hoch, und die Reise in einem kalten Container über die Ostsee würde er nicht mehr leisten können. Also konnte ich nicht anders, als den Baum zu zerschneiden. Das Wurzelwerk warf ich weg in den Müll und die stärksten Zweige sammelte ich in einer langen Plastiktüte. Die Tüte nahm ich mit.

Die Baumschnitte fuhren durch Nordeuropa im Auto neben dem Hund. Sie übernachteten in Hotelzimmern, genauso wie der Hund. Und endlich waren die Äste in München.

Heute ist der Baum schon lange genug eingeschnappt gewesen, und er wächst freudig mit neuen Blättern vor dem Fenster.

Foto: Aattu Haara

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